Fachthema
Embedded Systems für die Medizintechnik
Medizintechnik gehört zu den Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts. Elektronik und Embedded Systems sind heutzutage nicht mehr aus der Medizin wegzudenken.
Healthy Embedded
Egal ob als Wearable am Körper, Herz-Lungen-Maschinen im Krankenhaus, Diagnosegeräte, Laborausstattung oder Behandlungsgeräte für den Zahnarzt. Elektronik und Software sind allgegenwärtig. Der große Fortschritt in der Medizintechnik erhöht die Qualität der Gesundheitsversorgung und reduziert die Kosten für das medizinische Management.
Elektronik und Embedded-Systems sind Kernbestandteile heutiger Medizintechnik, senken die Kosten und ermöglichen ganz neue Einsatzgebiete. Für Design, Entwicklung und Produktion von Embedded Systems und Elektronik in der Medizintechnik ist Knowhow in vielen Disziplinen notwendig.
Medizintechnik Know-How
Normen und Zertifizierung
Der Einsatz von Technik in der Medizin erfordert strikte Maßnahmen zum Ausschluss von Fehlfunktionen und zur dauerhaften Sicherung der Qualität. Diese Maßnahmen sind über den gesamten Produktlebenszyklus einzuhalten und zu dokumentieren. Es beginnt mit den Spezifikationen über die Entwicklung bis zur Abkündigung des Produkts. Von den Systemen der Medizintechnik darf keine Gefahr für Leib und Leben ausgehen. Aus diesem Grund sind für die Entwicklung von medizintechnischen Geräten viele Normen und Vorschriften zu berücksichtigen. Vor dem Einsatz der Geräte werden zahlreiche Zertifizierungen durchlaufen. Über den Lebenszyklus eines Medizintechnikprodukts werden die Qualität der Produktion und des Produkts laufend von Behörden und befugten Institutionen überwacht.
Einige wichtige Richtlinien und Normen der Medizintechnik, die Entwickler kennen müssen sind:
- Medical Device Regulation MDR der EU
- IVDR – In-vitro-Diagnostic Device Regulation der EU
- EN ISO 13485 – Managementsystem für Design und Herstellung von Medizinprodukten
- EN 60601 - Normenkomplex über medizinische elektrische Geräte und Systeme
Einfache Bedienung und optimale Nutzung
Einfaches, intuitives und fehlerfreies Bedienen ist in der Medizintechnik wichtig. Nicht zuletzt ist das User-Interface auch ein wichtiges Designelement eines Geräts und Entscheidungsgrundlage für den potenziellen Käufer oder die potenzielle Käuferin. Die optimale User-Experience steigert die Akzeptanz und reduziert den Lernaufwand sowie die Fehleranfälligkeit beim Anwender bzw. bei der Anwenderin.
In kritischen Umgebungen, wie Behandlungsräumen oder Laboren, muss dafür gesorgt werden, dass Bedienoberflächen des HMI und Schaltelemente keimfrei gehalten werden. Heute wird die Bedienung von Medizingeräten mittels Sprachein- und -ausgabe vereinfacht. Künstliche Intelligenz unterstützt beim Einsatz, indem sie beispielsweise Vorschläge zur Interpretation von Bildern oder Messergebnissen in der Diagnostik macht und die Nutzerin bzw. den Nutzer bei wichtigen Entscheidungen entlastet.
Messtechnik, Sensoren und Aktoren
In der Medizintechnik kommen vielfältige Sensoren zum Einsatz, um Vitaldaten zu erfassen oder Substanzen in Laboren zu analysieren. Direkt am Körper eines Patienten oder einer Patientin können Puls, Blutdruck oder Körpertemperatur erfasst werden. Mittels komplexer, spektroskopischer Verfahren kann in einem Laborgerät die Zusammensetzung von Geweben und Flüssigkeiten bestimmt werden. Die technische Herausforderung besteht dabei sehr oft im kontinuierlichen Erfassen und Verarbeiten von Kleinstsignalen in störanfälligen Umgebungen. Umfassende Erfahrung mit Analogtechnik und digitaler Signalverarbeitung ist ein wichtiges Rüstzeug für den Entwickler. Mit der Elektronik werden oft auch optische Systeme integriert, was wiederum Spezialwissen erfordert.
Für alle Messungen am Körper eines Patienten oder einer Patientin sind höchstmögliche Sicherheitsstandards einzuhalten. Das gilt selbstverständlich auch für den aktiven Eingriff durch ein Medizingerät. Die eingesetzten Aktoren, wie Pumpen zum Transport von Körperflüssigkeiten oder Antriebe zum Bohren oder Schneiden von Knochen oder Geweben, müssen zuverlässig funktionieren. Der Entwickler eines Medizingeräts muss sicherstellen und nachweisen, dass der Einsatz am Patienten bzw. an der Patientin mit minimalem Risiko durchgeführt werden kann.
Mobilität, Energiemanagement und Rechenleistung
Zunehmende Miniaturisierung und Rechenleistung von Elektronik und Embedded Systems ermöglichen heute Medizingeräte, die klein und kompakt direkt am Patienten bzw. an der Patientin Daten sammeln und Kontrollentscheidungen treffen. Dabei werden Mikrocontroller mit minimalem Energiebedarf und ein ausgeklügeltes Energiemanagement für einen langlebigen und schonenden Batteriebetrieb kombiniert. Herzschrittmacher können heute mit einer einzigen Batterie bis zu 10 Jahre betrieben werden. Die Rechenleistung der eingesetzten Prozessoren ermöglicht eine umfangreiche Signalvorverarbeitung und Auswertung bis zum Einsatz von Algorithmen aus dem Bereich Machine Learning und Künstliche Intelligenz.
Entwickler von Medizingeräten müssen mit Batterietechnik und deren sicherer Anwendung ebenso vertraut sein wie mit den möglichen Energiesparstufen unterschiedlicher Mikroprozessoren. Die Einsatzfälle des Geräts sind genau zu analysieren, um eine exakte Energiebilanz zu berechnen.
Connectivity und Security
Wir erleben auch in der Medizin eine digitale Revolution, die alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche grundlegend erfasst. Medizingeräte werden immer intelligenter und laufen nur noch selten im Inselbetrieb. Vitaldaten der Patientin oder des Patienten und Diagnosedaten aus Labors werden nahtlos an medizinische IT-Systeme übertragen und ausgewertet. Dabei kommen unterschiedliche Netzwerk- und Funkstandards zum Einsatz und es muss jederzeit die Integrität und Sicherheit der Daten gewährleistet sein. Patientendaten sind äußerst sensibel und es sind dafür die höchsten Datenschutzstandards zu berücksichtigen. Geräte werden mit medizinisch zertifizierten Cloud-Systemen betrieben. Die Übertragung der Daten erfolgt verschlüsselt und abgesichert. Manipulationen und unberechtigte Zugriffe sind zu verhindern.
Bei der Entwicklung moderner Medizingeräte ist daher Knowhow über Netzwerktechnik, Netzwerksicherheit und Verschlüsselung gefordert.
Sicherheit und Zuverlässigkeit
Medizingeräte müssen dauerhaft und zuverlässig funktionieren. Das Risiko für Fehlfunktionen im Betrieb ist bereits in der Entwicklung zu minimieren. Dafür sind laufend umfangreiche Risikoanalysen durchzuführen. Auf Basis dieser Analysen werden Maßnahmen abgeleitet, um potenzielle Bedrohungen weiter zu minimieren. Zum Einsatz kommen redundante Systeme, ausgeklügelte Überwachungsfunktionen in Hard- und Software und Bausteine, die den vorgeschriebenen Standards genügen. Weiterhin muss die langfristige Wartung und Pflege eines Medizinprodukts über den gesamten Lebenszyklus gewährleistet sein, um dauerhaft höchstmögliche Sicherheit zu garantieren.
Beim eingesetzten Material werden im medizinischen Umfeld ebenfalls spezielle Anforderungen berücksichtigt. Oberflächen, Taster oder Touch-Displays sollten desinfizierbar sein. Einige Komponenten müssen über die Lebenszeit eine bestimmte Anzahl an Sterilisationszyklen in einem Autoklaven unbeschadet verkraften. Im Kontakt mit dem Patienten oder der Patientin müssen bioverträgliche oder atmungsaktive Materialien verwendet werden.
Der Entwickler von Medizingeräten sollte immer die Sicherheit im Fokus haben und mit den dafür notwendigen Vorschriften und Abläufen vertraut sein.
Stabilität über viele Jahre
Um eine robuste Hard- und Softwareplattform für die Serienproduktion zu schaffen, müssen die Aufwände für Integration, laufende Wartung und Erweiterungen von Anfang an und über den gesamten Produktlebenszyklus betrachtet werden. Trotz der sich rasch ändernden Ansprüche verlangt die Medizintechnik nach langer Lebensdauer ihrer Geräte. Änderungen in Hardware oder Software ziehen langwierige Zulassungsprozeduren nach sich. Schon beim Gerätedesign muss darauf geachtet werden, dass langlebige Bauteile, möglichst aus mehreren Quellen, eingesetzt und validiert werden. Die Embedded-Software muss äußerst stabil, fehlertolerant und robust gestaltet sein. Updates, z. B. bei neuen Bedrohungsszenarien oder für neue Funktionen, müssen rasch und sicher eingespielt werden können. In jedem Fall ist über die Entwicklung hinaus eine langfristig stabile Partnerschaft mit dem Entwicklungspartner unabdingbar.
Beispiele aus der Praxis
Ginzinger electronic systems bietet Komplettlösungen für die Entwicklung und Produktion von Elektronik und Embedded Systems für die Medizintechnik. Das Unternehmen ist nach EN ISO 13485 zertifiziert. Einige Lösungsbeispiele:
W&H Dentalwerk Bürmoos GmbH
Embedded Linux in der Dentalmedizin
Die elektronischen Komponenten und komplexen Baugruppen in den Dentalgeräten von W&H müssen nach den strengen Standards der Medizintechniknormen serienmäßig produziert und montiert werden.
DMU GmbH
Innovative Mini-5-Achs-Fräse
Für die rasche Serientauglichkeit einer Fräsenelektronik beauftragte die DMU GmbH aus Salzburg Ginzinger electronic systems mit der Optimierung und Integration der elektronischen Komponenten.